Eine Nacht zwischen Absurdität und Intimität
Drei Fragen an Regisseurin Hannah Nagel
Was interessiert dich an Isa, der Protagonistin von «Es kommt in Schüben»?
Mich interessiert an ihr besonders, dass sie sich entschieden hat, ihr Glück ausserhalb der gesellschaftlichen Konventionen zu suchen, und diese Suche ist bestimmt von Experimenten und Versuchen. Isa weiss selbst nie, wo es sie hintragen wird. Aber sie hat den Mut, sich darauf einzulassen und geht dadurch auch mit Dingen, die schlimm sind, wie sexuelle Übergriffe oder psychische Erkrankungen, sehr wertneutral um. So wird Isa nie zum Opfer, auch negative Erfahrungen sind Teil ihrer generellen Erlebniswelt und werden von ihr nicht bewertet. Somit entsteht ein grosser Kosmos, in dem Isa im Zentrum steht und diese Position wird nie angezweifelt, weder von ihr noch in ihren unterschiedlichen Begegnungen. Für mich ist Isa in ihrer akzeptierten Vielschichtigkeit ein Vorbild für jungen Menschen und speziell auch für weiblich gelesene, weiblich sozialisierte Personen.
Isa steht vor vielen persönlichen Problemen, es geht um Suizidalität, Missbrauch und verbale Gewalt. Ist das Stück für dich trotzdem lebensbejahend?
Es ist für mich gerade deswegen lebensbejahend, weil sie mit diesen persönlichen Problemen umgehen muss. Und diese Probleme haben es ja auch in sich: es geht um psychische Herausforderungen, übergriffige, verbale, sexuelle Gewalt und Diskriminierung aufgrund von psychischen Erkrankungen. Aber Isa steht all dem mit einer grossen Stärke und inneren Gelassenheit gegenüber und das ist für mich eine grosse Zugewandtheit zum Leben, gepaart mit einer Neugier auf alles, egal ob schön oder schrecklich, was da noch kommen mag.
Eine Gebärdendolmetscherin wird das Stück lieve übersetzen. Am Luzerner Theater eine Premiere. Wie genau wird die Übersetzung aussehen? Und warum habt ihr euch gerade bei diesem Stück für eine Gebärdendolmetscherin entschieden?
Die Übersetzung wird so aussehen, dass eine Gebärdendolmetscherin vorne an der Bühne platziert wird und den Text parallel, während er gesprochen und von Tonaufnahmen abgespielt wird, in Gebärdensprache übersetzen wird. Wir versuchen am Luzerner Theater generell barrierefreier und zugänglicher zu werden und das Format Reflektor und die dazugehörigen Nachtschichten sind ein guter Rahmen, um Möglichkeiten auszuprobieren und neue Standards zu definieren. Konkret gibt es auch in «Es kommt in Schüben» eine Szene, in der eine gehörlose Person zu Wort kommt. Wir haben im Prozess lange über die Darstellbarkeit dieser Begegnung diskutiert, und haben jetzt eine Lösung gefunden, die für uns eine grosse Offenheit in der Interpretation der gesamten Szene zulässt.